Der Albtraum und die übergriffigen Emotionen
- Brigitte Hartung-Gremm

- Jul 18
- 2 min read

Gestern abend hörte ich ein Interview mit einer alten Dame, die nach Kriegsende aus ihrer Heimat Schlesien vertrieben wurde. Der Interviewer hat es sich zur Aufgabe gemacht, regelmäßig an die Millionen Frauen und Kinder zu erinnern, die würde- und wehrlos aus ihren Häusern und Wohnungen vertrieben wurden, denn auch das sind Kriegsverbrechen. Die Vertreibung aus den annektierten Ostgebieten war eine unfassbar tiefe traumatische Erfahrung für Millionen Menschen, die bis in die siebte Nachfolgegeneration weitergegeben werden kann, das müssen alle Kriegsenkel und Kriegsurenkel wissen.
Die alte Frau berichtete, dass eines Tages eine polnische Familie in ihr Haus kam, und ihr unmissverständlich mitteilte, dass sie ab jetzt dort leben würde. Die damals junge Frau mit Kindern hatte eine Stunde Zeit, das Nötigste zu packen und zum Bahnhof zu gehen. Sie durfte jedoch gar nichts behalten, Soldaten nahmen ihr dort alles weg und trieben sie mit vielen anderen in einen Viehwaggon, ohne Wasser, ohne Essen in eine ungewisse Zukunft Richtung Westen. Fast alle wurden krank, und viele haben es nicht überlebt.
Ich erinnerte mich nach dem Interview schmerzhaft, dass es damals meiner Mutter mit zwei kleinen Kindern und ihrer krebskranken Mutter genau so ergangen ist, sie hat nicht viel davon erzählt, aber wenn sie nur daran dachte, konnte ich jedesmal ihren Schmerz fühlen. Mit diesen düsteren Gedanken und Gefühlen bin ich ins Bett gegangen und eingeschlafen. Neben mir lag wie immer meine fast 16 Jahre alte Hündin.
In der Nacht bin ich aus einem Albtraum aufgeschreckt, ich hatte die schrecklichen Erlebnisse meiner Mutter im Traum erlebt und schaute angstvoll auf das Bett neben mir, es war leer. Wo war Pauline? In den vier Jahren, in denen sie bei mir ist, gab es nicht eine Nacht, in der sie aufgestanden ist. Mein erster Gedanke war, dass sie sich zum Sterben zurückgezogen hat. Ich stand auf und begann, sie mit großer Sorge zu suchen. Ich fand sie auf dem Teppich neben dem Bett, tief schlafend, kaum atmend, nicht wirklich wach zu bekommen. Ich bat ihr ohne Erfolg Wasser an und holte dann ein gut riechendes Leckerlie, das Gott sei Dank wirkte, sie wurde kurz wach und schlief dann aber sofort wieder ein. Ich war beruhigt, dass sie noch lebt, es wär auch viel zu früh gewesen.
Am nächsten Morgen stand Pauline auf, als wenn nichts gewesen wäre. Mir wurde klar, dass die emotionalen Energien meines Albtraumes für sie in der Nacht zu viel waren, sie musste sich zurückziehen um sich zu schützen.
Was machen wohl deine nächtlichen Emotionen und Energien mit dem Menschen, der jede Nacht neben dir liegt und umgekehrt? Vielleicht fragst du nach einer schlaflosen Nacht deinen Partner, der neben dir geschlafen hat, welche Träume er hatte, denn vielleicht schlafen wir machmal genau aus diesem Grund schlecht...



Ein intensives Erlebnis. Ich denke, hochsensible Menschen und Tiere leiden besonders darunter.